«Auch Plan B ist gut!»
«Die letzten Jahre waren happig für mich», erzählt Monika Yasmin. «Meine Grossmutter verstarb 2016 und mein Vater 2017. Dann wurde meine Ehe geschieden und unsere Söhne zogen zum Vater, brachen den Kontakt zu mir fast ab. Das war sehr schwierig.» Sie liess die 15-, 18- und 20-Jährigen los, übergab sie in Gottes Hände und vertraute darauf, dass er für sie sorgen würde. Und sie nahm seelsorgerliche Hilfe in Anspruch, um zu verarbeiten und zu vergeben.
Wie weiter?
Nun musste die gelernte Damenschneiderin wieder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Ihre Freundin Elisabeth Engel führt eine private Spitex und hatte ihr von der Idee erzählt, eine Pflegewohnung zu eröffnen, in der Menschen mit gewissem Betreuungsbedarf in privatem Umfeld leben dürfen. «Zuerst war ich nicht interessiert, doch auf einem Spaziergang hörte ich Gottes Stimme und spürte: Das ist meins!» Sie absolvierte den Pflegehelferkurs des Roten Kreuzes und machte ein Praktikum im Altersheim, danach liess sie sich von Elisabeth anstellen.
Zu zweit umziehen
Dort freundete sie sich mit einer alten Dame an, die nicht wusste, wo sie nach ihrem Ferienaufenthalt im Heim leben sollte. Allein zuhause ging es nicht mehr, in eine Institution wollte sie nicht. Inzwischen war Pflegewohnung bezugsbereit und Monika bot der Seniorin an, mit ihr als erste WG-Partnerin einzuziehen. Es passte perfekt – beide mussten nun nicht mehr allein leben. Monika führt den Haushalt, Mitbewohner dürfen mithelfen, wenn sie möchten.
Diese Form von WG war ein Pilotprojekt in Langenthal, Elisabeth und Monika meldeten es bei der Gemeinde an – doch niemand kannte sich damit aus. Schliesslich erfuhren sie, dass eine Bewilligung nur an die Person erteilt wird, die selbst da lebt. Monika nahm die Herausforderung später an, sich selbständig zu machen. Es brauchte viele Gespräche, Zeit und Nerven, bis sie die Bestätigung in Händen hielt. Sie war nun Unternehmerin geworden. «Gott hat das wunderbar geführt, selbst hätte ich mir diesen Schritt nie zugetraut», erzählt die Mitfünfzigerin strahlend. «Ich wollte mich auch nie scheiden lassen – nun lebe ich mit Plan B und es ist gut so.»
Mariposa
Nach einer Anlaufzeit mietete sie ein Einfamilienhaus mit grossem Garten. «Die Vermieter unterstützen uns, indem sie einen moderaten Mietzins verlangen», sagt sie dankbar. «Das ist ein weiteres Geschenk Gottes.» Sie nannte ihr Haus «Mariposa», Schmetterling. Dieses Sujet trifft man überall im Haus: auf ihrem T-Shirt, dem Geschirr, dem Duschvorhang. Hier wird Leben geteilt, es dürfen Veränderungen geschehen, es wird Anteil genommen, gespielt und gelacht. Sie ist Hausmutter, nicht Pflegerin im medizinischen Sinn, kann jedoch die Grundpflege ausführen. Weitere Bedürfnisse werden durch Spitex, Ärzte und andere Fachkräfte abgedeckt. Bei Bedarf stellt sie zudem Teilzeitkräfte an. Sie absolvierte den Kurs zur Berufsbildnerin und ermöglichte einer jungen Eritreerin, einen Teil ihrer Ausbildung im Haus Mariposa zu machen, als Assistentin Gesundheit Soziales (AGS). «Als sie für uns kochte, mussten wir sie bitten, nächstes Mal weniger scharf zu würzen», schmunzelt Monika.
Sehr flexibel
«Wenn sich jemand für einen Platz bei uns interessiert, lade ich sie zur Besichtigung ein.» Drei Zimmer stehen zur Verfügung, so gilt das Projekt als privater Haushalt und nicht als Heimbetrieb. «Wir können sehr flexibel auf Wünsche eingehen», erklärt Monika. So wurde eine Mitbewohnerin täglich zweimal von ihrer Freundin besucht. Für ein Ehepaar stellte sie ein zweites Bett ins Zimmer. «Der Mann war am Sterben, seine Frau wollte bei ihm sein.» Sie wurden unterstützt vom Hausarzt und palliativer Spitex. «Auch die Töchter wechselten sich schliesslich ab am Bett des Vaters. Dazwischen hatten sie ein eigenes zur Verfügung.»
Ein Senior, der bei ihr eingezogen war, erklärte Besuchern jeweils: «Hier herrscht Frieden!» Monika lebt nach dem Motto des Franz von Assisi: «Predige täglich Jesus, und wenn nötig, brauche Worte.» Dieser Mann schätzte es, wenn sie vor dem Essen beten, über Glaubensfragen austauschen konnten. Doch Monika drängt dies niemandem auf. «Man soll Gottes Gegenwart spüren», findet sie.
Finanzielle Schieflage
Wenn zwei Personen mit Monika im Mariposa leben, stimmen die Finanzen. Nicht immer war das der Fall, und das Budget geriet in Schieflage. Ende 2023 wurde sie auf die Plattform Lokalhelden aufmerksam. Sie drehte mit Hilfe von Freunden einen Videoclip und bewarb sich fürs Crowdfunding. Da erfuhr sie, dass nur Vereine berechtigt sind, teilzunehmen. Als junge Christin hatte sie davon geträumt, Frauen beizustehen, die wie sie auch einen schwierigen Start ins Leben hatten. Ihre Mutter hatte sich das Leben genommen, als sie drei Jahre alt war. Die zweite Frau ihres Vaters war psychisch krank und mochte die kleinen Töchter aus erster Ehe nicht – es kam zur Scheidung.
Dieser Hintergrund führte dazu, jetzt den damaligen Wunsch umzusetzen. Sie gründete mit einer gläubigen Freundin zusammen den Verein «Pretty Rose». Er soll Anlaufstelle sein für Frauen, die offene Ohren und Herzen, dazu vielleicht praktische Begleitung brauchen. Und das Wunder geschah: Mittels Crowdfunding kamen die 25'000 Franken zusammen, die an Schulden angewachsen waren. Monika hatte im Gebet gehört: «Gib nicht auf!» Sie ist sehr dankbar: «Es ist Gottes Güte und Gnade, dass ich so weit gekommen bin!» Diese Aufgabe entspricht ihr, auch das Verhältnis zu den Söhnen ist wieder gut geworden. Wie es mit «Pretty Rose» weitergeht, wird sich zeigen. «Ich bin zuversichtlich, dass Gott auch hier führen wird.»
Zur Website:
Haus Mariposa
Verein Pretty Rose
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Datum: 15.05.2024
Autor:
Mirjam Fisch-Köhler
Quelle:
Livenet