«In drei Minuten stirbt Ihr Baby»
Tobias Losenegger: «Als Vanessa in der 24. Woche schwanger war, entdeckten die Ärzte bei Raphael eine mögliche Fusion der Rippen links und eine ‚fetale Kyphoskoliose‘ sowie Keil- und Fusionswirbel, das heisst, seine Rippen auf der linken Seite seien angeblich zusammengewachsen und seine Wirbelsäule gekrümmt und auch noch verdreht.
Darum schickten sie uns in die Klinik Balgrist, wo man den Knochenbau des Kleinen besser sehen konnte. Das sollte noch in der 24. Woche geschehen, damit wir unser Baby noch abtreiben könnten. Die Ärzte hatten uns mit gewissen Bemerkungen nahegelegt, denn wegen dem falschen Rippenbau würde er womöglich nicht selber atmen können, weil die Lunge dann keinen Platz hat.»
Am Boden zerstört
Ein gewaltiger Schock. Vanessa: «Wir waren am Boden zerstört. Wir entschlossen uns, dass wir unseren Sohn so annehmen wollen wie er ist. Erst wenn es heissen würde, dass er nicht selbständig atmen könne, würden wir den Ärzten die Erlaubnis geben, die Beatmungsmaschine abzustellen, weil das sonst kein Leben für unser Kind wäre. Entweder schenkt ihm Gott das Leben, und dann kann er selber atmen, oder er nimmt den Kleinen zu sich. »
Tobias und Vanessa flehten in dieser Zeit sehr viel zu Gott um Heilung. Vanessa: „Die Situation beruhigte sich langsam, als wir im Internet eine Professorin fanden, die schon ein paar Kinder mit fusionierten Rippen erfolgreich operiert hatte. Auch für die krumme Wirbelsäule gab es anscheinend Lösungen per Physiotherapie. Zudem hörten wir von einigen Leuten Geschichten, wo sich Ärzte mit ihrer Diagnose bei ungeborenen Kindern geirrt hatten. Wieso nicht auch bei uns? Wir sahen Hoffnung. Sicher war der Fall nicht so schlimm und die Lunge würde durchaus Platz finden.»
Nach der Geburt: «Wo ist mein Sohn?»
«Ein paar Tage vor der Geburt hatten wir ein Gespräch mit dem Chefarzt der Neonatologie, also der Kinder-Intensivstation», schildert Tobias. «Er versuchte uns zu beruhigen und meinte, das Kind werde sehr wahrscheinlich selber atmen und mit Vanessa aufs Wochenbett gehen können. Das nahm uns fürs erste die Angst.»
Der Zeitpunkt der Geburt rückte heran. Vanessa: «Tobias und ich freuten uns, unseren Kleinen, der schon so viele Untersuchungen erdulden musste, endlich in die Arme nehmen zu können. Ich hörte die Hebamme sagen: „Und da ist er“, hörte allerdings kein Schreien.
Ich sah das Baby auch nicht. Plötzlich bemerkte ich, dass das Kind und Tobias, der mich die ganze Zeit liebevoll unterstützte, nicht mehr im Zimmer waren. Sie sind bei der Untersuchung des Babys, hiess es. Also wartete ich darauf, dass Tobias voller Stolz, mit dem Baby im Arm, ins Zimmer kommen würde. Doch er kam nicht. In mir stieg der Gedanke hoch: Unserm Kind geht es nicht gut. Ich wurde auf mein Zimmer gebracht.»
An der Beatmungsmaschine
Vanessa durchlitt schwere Momente: «Da lag ich nun, alleine und ohne Baby. Kein Mann, keine Gewissheit; nur Müdigkeit, Fragen und Verzweiflung. Irgendwann tauchte Tobias auf und sagte, das Kind sei an der Beatmungsmaschine angeschlossen. Allerdings nur für kurze Zeit. Ich würde es sicher bald besuchen können.
Nach dem Ausruhen wurde ich auf die Neonatologie gebracht. „Da liegt Ihr Sohn“, meinte eine Pflegefachfrau und gratulierte Tobias und mir. Wir sahen unseren Sohn voller Mitleid an. Ich wusste nicht, ob ich lächeln oder weinen sollte. Er war so hilflos. Er sah furchtbar aus mit all den Kabeln und Schläuchen.
Doch es würde bestimmt ein nicht allzu schlimmer Grund sein, wieso er an der Maschine hängt. Bestimmt würde er bald selbständig atmen können. Der Arzt hatte uns doch so gut zugesprochen.»
Arzt: «Zu 95 Prozent wird er nicht atmen!»
Am nächsten Tag folgte ein Gespräch mit dem gleichen Arzt. Tobias erinnert sich: «Er hatte nun die Aufgabe, uns allen Mut, den er uns mal gab, wieder wegzunehmen. Nach dem Gespräch sassen Vanessa weinend und ich verzweifelt auf unseren Stühlen. Nun wussten wir, dass unser Kind so gut wie null Überlebenschance hatte.
Die Ärzte vermuteten, dass der kleine Raphael nicht selber würde atmen können. Seine Luftröhre sei dafür zu schwach. Zudem hatte sich sein linker Lungenflügel wegen den fusionierten Rippen nicht richtig entfalten können. Sie sagten, dass er zu 95 Prozent nicht atmen werde. So sassen wir völlig hilflos da und erinnerten uns an das, was wir mal abgemacht hatten: unser Baby sterben zu lassen, wenn es nicht ohne Maschine atmen kann.»
Nach drei Minuten der letzte Atemzug
«Als ich wieder in meinem Zimmer war, betete ich noch mal für unseren Kleinen», sagt Vanessa. «Ich wartete und wartete, doch nie kam die Nachricht, es würde dem Kind besser gehen. Nach zwei Tagen beschlossen wir die Maschine abzustellen. Das Kind sollte nicht länger leiden müssen.
Sämtliche Verwandte und die Gotte und der Götti unseres Babys kamen, um sich von ihm zu verabschieden. Auch ein bekannter Pastor von uns nahm sich Zeit, um das Kind zu segnen. Das Krankenhaus bot uns genug Platz an. Es war schön eingerichtet, auch mit einer Taufkerze. Raphael wurde mit Öl gesalbt, und wir legten ihn in Gottes Hände.
Eine Pflegefachfrau nahm Raphael und legte ihn, nachdem alle Schläuche weg waren, mit den Augen voller Tränen in die Arme von Tobias. Auf seinen Wunsch hin sollte der kleine Schatz in seinen Armen sterben. Nach etwa drei Minuten würde er, wie die Ärzte sagten, seinen letzten Atemzug machen.
In mir kam, neben allen Gebeten, der Gedanke auf, wieso Gott eigentlich Gnade walten sollte. Schliesslich hatten Tobias und ich uns in der letzten Zeit sehr wenig um ihn gekümmert.»
Er atmet doch
Tobias: «Voller Trauer sahen wir den Kleinen an und warteten auf seinen Tod. Doch nach Stunden atmete der Kleine immer noch!» Vanessa: «Wie treuherzig und gnädig ist Gott. Er schenkte uns unseren Sohn ein zweites Mal.
Nach ein paar Tagen durften wir Raphael nach Hause nehmen. Er brauchte zwar noch Sauerstoff zur Unterstützung, aber er durfte heim. In der Zwischenzeit braucht unser Sohn auch den Sauerstoff nicht mehr und atmet einwandfrei.»
Ein Kämpfer
Vanessa und Tobias sind berührt: «Es berührte uns zutiefst, zu erfahren, wie viele Menschen, ja ganze Gemeinden, für unseren Sohn beteten. Der Zusammenhalt war grandios und überwältigend! Für die Ärzte ist der Kleine einfach ‚ein Kämpfer‘ mit einem grossen Willen zu leben. Anders können sie sich sein Überleben nicht erklären.
Für uns ist es ein grosses Wunder aus Gottes Gnade. Deshalb entschieden wir uns für den Namen Raphael – „Gott heilt“. So sehen wir nun unseren Raphael heranwachsen und sind Gott jeden Tag von neuem dankbar für sein Geschenk.
Es werden noch viele Hürden vor Raphael und uns stehen, viele Operationen vielleicht. Aber wir wissen, dass Raphael in Gottes Händen ist und Er an seiner und auch an unserer Seite steht.»
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Autor: Aufgezeichnet von Daniel Gerber
Datum: 15.09.2008
Quelle: Livenet.ch